Minerva hatte ein kleines Schauspiel hingelegt und unserem Treffen einen offiziellen Grund gegeben. Ich hatte mich im Lehrerzimmer bedeckt gehalten, knappe Antworten gegeben, ihr nur deutlich gemacht, dass wir gar nicht weiter über ihren Ideen sprechen brauchten, da ich im Schloss das sagen hatte und das untersagte.
Doch ganz abgesehen von dem, was wir öffentlich spielten, so schlimm, es wirkte war es nicht, dennoch mussten wir langsam reden. Seit ich Schulleiter war und auch, seit ich wieder aus dem Koma erwacht war, hatten wir kaum Kontakt gehabt. Ich war mir nicht einmal wirklich sicher, ob sie überhaupt davon wusste. Womöglich hatten wir auch schon darüber gesprochen und ich hatte es einfach wieder vergessen - der Druck nahm mir manchmal die Luft zum Atmen und damit auch die Fähigkeit zu denken.
Ich wusste nicht wirklich warum, doch das Wissen, dass wir noch ein Gespräch zu führen hatten, machte mich irgendwie nervös. Ich wusste nicht, wie sie auf mich reagieren würde... auch wenn es nach außen hin so wirken mochte, als wäre mir egal, was andere von mir dachten, dem war nicht so. Ganz im Gegenteil und gerade Minerva wollte ich trotz allem, was zwischen uns schief gelaufen war, nicht gegen mich haben.
,,Herein." sagte ich schleppend, als ich das Klopfen an der Türe vernahm. Ich legte meine Feder weg, die ich eigentlich nur in der Hand gehabt hatte, um mir etwas ansehen und mich beschäftigen zu können.
Ich hob den Kopf, sah sie kurz an. Diese Frau die ich eigentlich relativ gerne mochte, solange ich nicht darüber nachdachte, dass sie nichts gegen das unternommen hatte, was ihre Schüler mir damals angetan hatten... irgendwann würde ich sie danach frage, irgendwann konnte ich mir die Frage nicht mehr sparen. Doch wie lange hatte ich dafür noch Zeit? Mein Leben war endlich und es war absehbar, dass ich nicht sonderlich alt werden würde, warum also warten?
,,Warum hast du damals nichts unternommen?" fragte ich gleich, anstatt einer Begrüßung. Dass sie die Frage womöglich überfahren konnte, war mir egal. Ich musste es wissen warum sie sich heute dermaßen für die Schüler einsetzte und mich damals im Stich und mir selbst überlassen hatte.