Es war etwa 18 Uhr abends. Der Sonnenuntergang zauberte zahlreiche Farben an den Himmel und strahlte ein paar Wolken indirekt an, sodass sie wie kleine Wattebäuschchen wirkten. Es war ein tolles Naturschauspiel, welches über dem Meer lag. Die Szene inspirierte mich zum Zeichnen, sodass ich einen Rucksack mit Zeichensachen vollpackte und auch etwas zum Essen sowie zum Trinken mitnahm. Wäre nicht morgen schon ein Training, würde ich es mit einem Glas Wein begießen, so aber entschied ich mich kurzerhand für Kakao, auch wenn das nicht wirklich zu Kufte und vegetarische Moussaka ein. Das passte zwar nicht direkt zusammen, aber egal. So verrückt wie Dumbledore war ich dann nicht, der hatte ja Senftorte mit Marmelade und Kürbissirup gemischt.
Was es zu feiern gab? Das ich morgen wieder auf den Besen steigen und mit den Caerphilly Catapults trainieren konnte. Heute Vormittag hatte ich noch einmal ins Hospital gemusst. Zum Glück war ich nicht auf Cho Chang in dieser Sache getroffen. Das wäre vielleicht noch unangenehmer geworden nach der letzten Begegnung. Zwar war die junge Asiatin mir nicht ernsthaft unsympathisch, da gab es deutlich schlimmere Typen, aber es wäre mir doch irgendwie peinlich gewesen. Warum wusste ich selbst nicht. Noch verwirrender war für mich der Umstand, war die Tatsache, dass ihre Urlaubswahl mir weniger Bauchschmerzen oder Kopfschmerzen bereitete als die Vorstellung einer Untersuchung nach unserer letzten Begegnung. Seltsam. Verwirrend. Was sollte das heißen? Ich schüttelte nur den Kopf und beschloss, diese Dinge erst einmal beiseitezuschieben. So zog ich feste Schuhe an, packte noch eine Decke sowie eine Jacke ein und verließ über die Terrasse das Haus.
Mitten auf dem weichen, noch leicht warmen Sand breitete ich die Picknickdecke aus, um mich darauf niederzulassen. Das Ding war ein Quadrat von etwa vier Metern Größe und konnte bequem als Teppich durchgehen. Aus dem Rucksack nahm ich noch DIN-A1-Zeichenblock, dessen Rückseite ich magisch verstärkt hatte, sodass nichts verbiegen konnte, sowie die Bleistifte und die Kohlebox. Wie gut, dass der Rucksack mit einem Ausdehnungszauber belegt war. Sonst hätte ich wohl zweimal laufen müssen. Kaum dass ich die Schuhe sowie die Socken ausgezogen hatte, vergrub ich die Zehen im Sand.
Es war, als ob sich so viel besser Kontakt zu der Szene aufnehmen konnte, die mir vorschwebte. Ich legte mit ein paar schnellen Strichen das Meer an und ließ die groben Züge eines alten Segelschiffs entstehen, als ich unvermittelt aufsah. Ein Geräusch hatte mich aufgeschreckt. Es war Bella, die Robbe. Sie war früher im Zoo gewesen, dann aber ausgebrochen und lebte seit dem in einer wilden Gruppe hier in der Gegend. Letztes Jahr hatte ich das Tier von einem Fischernetz um seinen Hals befreit. Seitdem kam sie immer mal wieder vorbei, wie um sich zu bedanken. Die Robbe hätte ohne meine Hilfe sehr wahrscheinlich nicht überlebt. „Hey Bella“ begrüßte ich das Tier und kraulte sie am Kopf. „Schön, Dich zu sehen. Und ja, Du kommst auch auf das Bild.“
Dann war da ein Geräusch, das Bella erschrak und sie tauchte schnell wieder ab ins Meer. Ich sah mich auf der Suche nach der Quelle des Verursachers um, konnte aber nichts vor mir entdecken. Also wohl hinter mir. Ich griff nach meinem Zauberstab, als ein Schatten auf meinen Zeichenblock fiel. Als ich aufsah, stellte ich fest, was oder besser wer Bella aufgeschreckt hatte. „Hallo Miss Chang“, sagte ich freundlich. Unsere letzte Begegnung war ja nicht grade besonders schicklich oder ideal verlaufen. Eher chaotisch und sau peinlich für mich. „Dieses Mal bleib ich angezogen beziehungsweise ich geh nicht im Meer planschen“ kündigte ich direkt an. „Setzen Sie sich, wenn Sie mögen.“